So wird man (wieder) Europameister

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Vorbei ist die EM 2012 und der Sieger heißt erneut Spanien. Zurecht sagen viele, die die fussballerische Weltklasseleistung des Teams im Finale gegen Italien gesehen haben.

Aber wenn wir uns den Erfolg ansehen, liegt die eigentliche Glanzleistung in einem ganz anderen Bereich:

Als Welt- und Europameister standen die Spanier bereits von Beginn an unter einem extrem hohem Erwartungsdruck. Jedem Spieler war klar, daß eine Platzierung unter dem Titelgewinn von der Öffentlichkeit als Niederlage gewertet werden würde. Hinzu kommt, daß die gegnerischen Mannschaften regelmässig in den Außenseiterrollen waren und wesentlich befreiter aufspielen konnten als der amtierende Weltmeister. Dann das Thema Motivation: Wer selber schon einmal alles für ein hochgestecktes Ziel gegeben hat, weiß um die Schwierigkeit, sich für dieses Ziel auch ein zweites Mal zu motivieren.

Die spanische Mannschaft geriet zwar zwischenzeitlich ins Taumeln (z.B. bei den Spielen gegen Kroatien oder Portugal), biss sich aber immer durch und schaffte schlussendlich den von vielen erwarteten aber gerade deshalb so schwierigen Titelgewinn.

Natürlich stellt sich die Frage, wie sich ein Weltklasseteam trotz dieser Umstände immer wieder neu motivieren lässt. In einer Untersuchung der TU Chemnitz haben die Wissenschaftler Peter Pawlowsky, Peter Mistele und Silke Geithner vor einiger Zeit Hochleistungsteams aus Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst und Formel 1 genauer unter die Lupe genommen und 6 Prinzipien aufgestellt, die sich nicht nur bei den spanischen EM-Siegern sondern auch bei vielen Spitzenteams in der Wirtschaft wiederfinden:

1. Klare Zielorientierung
So profan es klingt: Eine deutliche und klare Zielvorgabe ist Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Spitzenteams. Dabei reicht es nicht aus in einer Kick-Off-Veranstaltung mit viel Lärm („Tschakka Tschakka“) das Ziel zu propagieren, vielmehr muß immer wieder in Besprechungen und Einzelgesprächen ein Zusammenhang zwischen Gesamt- und Individualziel hergestellt werden.

2. Achtsamkeit und Wahrnehmungskompetenz
Jeder ist für den Erfolg des Teams verantwortlich – dazu gehört auch die Fähigkeit des Einzelnen, Fehler und Abweichungen im Team frühzeitig zu erkennen um Verbesserungen zu fördern. Auch die Spanier mussten auf Schlüsselspieler wie Puyol und Villa verzichten. In einem Hochleistungsteam übernehmen dann einfach andere Teammitglieder die Aufgaben eines Einzelnen, der gerade in einem Formtief oder nur eingeschränkt einsetzbar ist.

3. Flexible Einsatzstrukturen
Bei den Untersuchungen der Wissenschaftler verfügten alle untersuchten Hochleistungsteams über eine flexible und vernetzte Organisationsstruktur, die sich nach der Umweltsituation und der Einsatzart richtet und sich zeitweise komplett von der formalen Organisationsstruktur unterscheiden. In schwierigen Situationen übernimmt also derjenige die Führung, der für diese Situation am kompetentesten ist. Auch bei dieser Fussball-EM haben wir wieder festgestellt, daß vor allem die Mannschaften weiterkommen, die nicht nur über herausragende Einzelspieler verfügen, sondern ein Team besitzen, daß je nach Gegner und Spielverlauf von unterschiedlichen Spielern angeführt werden kann. Im Business kann dies z.B. bedeuten, auch einmal Kollegen die Führung zu überlassen, die weniger durch Lautstärke als durch Situationskompetenz hervorstechen.

4. Ganzheitliches Rollenkonzept
Die Teammitglieder haben eine eindeutige Rollenverteilung, sie wissen jedoch genau, was die anderen tun und können notfalls deren Rolle übernehmen. Stellen Sie sich einen Stürmer in einem Profiteam vor, der in einer brenzligen Situation nicht in der Abwehr aushilft, sondern an seiner Position stehenbleibt. In Hochleistungsteams gibt es keine „Dafür bin ich nicht zuständig“-Aussagen.

5. Reflexion und erfahrungsbasiertes Lernen
Fehler passieren – auch in Hochleistungsteams. Der Unterschied zu Mittelklasseteams liegt darin, daß Spitzenteams jede Situation als Lernauslöser und Lerngegenstand sehen. Fehler werden analysiert und Konsequenzen daraus gezogen, erfahrene und unerfahrene Teammitglieder unterstützen sich dabei im Lernprozess. Wichtig ist, daß sich die Führungskraft auch in brenzligen Situationen vor das Team stellt und Möglichkeiten schafft, aus Fehlern zu lernen ohne eine Kultur von Fehlerzuweisungen zu entwickeln. Ein Blick auf die ruhige und überlegte Art des spanischen Nationaltrainers Vicente del Bosque kann hier die Augen öffnen.

6. Leistungsbereitschaft und Motivation
Mitglieder in Hochleistungsteams besitzen eine individuelle Bereitschaft zur Spitzenleistung. Jeder ist bereit sich für das Team einzusetzen und das Letzte aus sich herauszuholen. Das Gefühl, eine Situation gemeinsam geschafft zu haben ist der wichtigste Grund für den Einsatz, monetäre Anreize stehen dabei im Hintergrund. Dabei kann auch ein Konflikt ein Team zusammenschweißen, betrachtet man den großen Streit im spanischen Supercup des vergangenen Jahres, der fast zum Auseinanderbrechen des spanischen Nationalteams führte.

Nicht zuletzt jedoch ist einer der größten Motivationsfaktoren, wenn die Teammitglieder sich mit der eigenen Arbeit identifizieren können. Dass diese Begeisterung auch nach Tausenden von Spielen und Hunderttausenden von Trainingseinheiten noch gelebt werden kann, zeigen die Worte von Andres Iniesta, der zum besten Spieler der EM gekürt wurde:

„Fußball ist mein Leben. Ohne Fußball würde ich mein Leben nicht verstehen.“

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