Wenn man die aktuellen Diskussionen um die Innovationskraft von Unternehmen beobachtet, könnte der Eindruck entstehen daß Kreativität nur noch in einem kleinen Landstrich der Welt zwischen Cupertino (Hauptsitz von Apple), Menlo Park (Facebook) und Mountain View (Google) beheimatet ist. Dort entstehen anscheinend die Ideen, die unsere Welt verändern und die Zukunft bestimmen.
Es ist durchaus bemerkenswert, welche Unternehmen auf einer Fahrtstrecke von knapp 13 Meilen an einem vorbeiziehen. 26 Minuten Fahrzeit – ohne Stau – um an den 3 Firmen vorbeizufahren die derzeit im Fokus der Wirtschaftswelt stehen. Kein Wunder, daß andere Unternehmen einen Blick auf die Erfolgsrezepte werfen und regelmässig Mitarbeiter in das Silicon Valley schicken um Ideen zu sammeln und den kreativen Geist mit in die Heimat zu bringen. Selbst Bild-ChefredakteurKai Diekmann verbrachte im vergangenen Jahr einige Monate im Silicon Valley, genauso wie ein Teil der Mannschaft des Burda-Verlags.
Doch auch wenn es für die digitale Wirtschaft vielleicht Sinn macht, sich Inspirationen aus Kalifornien zu holen, so brauchen viele Unternehmen gar nicht so weit zu fahren. Manchmal reicht schon eine Fahrkarte nach Gerlingen am nordwestlichen Stadtrand von Stuttgart um einen Blick auf funktionierende Innovationsprozesse zu erhalten.
Hier sitzt die Robert Bosch GmbH, nach dem aktuellen Jahresbericht 2012des Europäischen Patentamts (EPA) das Unternehmen mit den meisten erteilten Patenten (838). Überhaupt lohnt sich ein Blick auf die graphische Übersicht des Annual Report, der in der vergangenen Woche erschienen ist. Danach sind auch bei den reinen Patentanmeldungen im Jahr 2012deutsche Unternehmen wie Siemens und BASF unter den TOP 10 vertreten, in 8 der 10 führenden Technologien haben europäische Unternehmen die Nase vorn.
Ist also der Blick in das kalifornische Silicon Valley gar nicht der richtige Gradmesser für innovative Prozesse? In welche Richtung sollen Unternehmen blicken um ein Erfolgsmodell für Ihre eigene Innovationskultur zu erhalten?
Natürlich sind die Erfolgsvoraussetzungen für gute Ideen im Silicon Valley bestechend: Eine große Zahl von Talenten aus aller Welt und 2 Top- Universitäten, die dafür sorgen, daß der Fluß an jungen High-Potentials nicht ausgeht. Daneben ein starkes Netzwerk, nicht zuletzt auch deshalb weil viele Mitarbeiter (vor allem unter den vielen kleinen Unternehmen) häufig den Arbeitgeber wechseln und gute Ideen sehr schnell aufgenommen werden.
Dieses Klima lässt sich nicht einfach kopieren – aber das ist auch gar nicht nötig. Mein Kollege Benno van Aerssen hat einmal den Satz gesagt: „Die Ideen stecken bereits im System“. Gemeint ist, daß viele Ideen schon in den Köpfen der Mitarbeiter, in den Teams und den Prozessen des Unternehmens vorhanden sind. Es fehlen häufig nur das Bewußtsein für die richtige Ideenbehandlung oder die methodischen Kenntnisse zur Umsetzung im Alltag.
Viele deutsche Weltmarktführer verfügen bereits über ein gutes Ideenmanagement und nutzen gezielte Methoden zur strukturierten Ideenfindung und -bewertung. Bosch setzt beispielsweise Innovationstandems ein, in denen ein Mitarbeiter aus der Entwicklung und ein Kollege aus dem Marketing gemeinsam neue Ideen beurteilen. Dass Unternehmen investierte zudem im vergangenen Jahr rund 8% seines Umsatz in die Forschung + Entwicklung neuer Projekte – und wird damit Patent-Europameister.
Setzen wir diese Erkenntnisse zusammen, wird vielleicht schon ein Rezept für mehr Innovationen daraus:
- eine unterstützende, leistungsfähige Innovationskultur, die Menschen dazu bringt Ideen zu teilen anstatt sie für sich zu behalten
- Methoden zur strukturierten Ideenfindung und -bewertung, die im Unternehmen anerkannt sind und im Alltag (!) auch eingesetzt werden können
Das klingt auf den ersten Blick einfach, ist aber in der Unternehmenspraxis häufig ein beschwerlicher Weg. Dazu mehr in einem der nächsten Beiträge.